Mut ist Angst plus einen Schritt

"Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein." (Christian Morgenstern)

Die Veränderung, die du dir wünschst, liegt in deiner Hand, das Potenzial dazu in jedem neuen Tag. Und ja, es ist okay, Angst zu haben. Es ist okay, zu zweifeln und zu zögern. Weil Neues Unsicherheit bedeutet und das Verlassen der eigenen Komfortzone. Weil wir nach Beständigkeit streben und nach etwas, an das wir uns (fest)halten können. Das verleitet zum An-sich-Binden von Dingen, Einstellungen, Verhaltensweisen, auch Menschen, die uns mitunter nicht gut tun, gar schaden. Loslassen fällt schwer, obschon es – im Vergleich zum Festhalten – nach mehr Leichtigkeit klingen mag.

Kennt ihr schon das "Hände-Falten-Experiment?" Noch nicht? Na, dann macht doch mal mit:

Zunächst bitte ich euch darum, eure Hände ineinander zu falten, so, als wolltet ihr beten. Welcher Daumen liegt bei euch oben, der linke oder der rechte? Wie fühlt sich das Ineinandergreifen an – versucht, es möglichst genau zu beschreiben (warm, fest, gewohnt, „normal“, stimmig, hart, entschieden, sicher…). Fühlt noch ein bisschen nach, werdet euch eures Empfindens bewusst.

Als nächstes möchte ich euch darum bitten, eure Hände wieder voneinander zu lösen und sie genau anders herum ineinander zu legen. Wenn also zuvor euer linker Daumen zuoberst lag, soll nun euer rechter Daumen oben liegen, lag eben euer rechter Daumen oben, dann faltet eure Hände jetzt so, dass euer linker Daumen oben liegt. Und nun fühlt wiederum nach und versucht, euer Empfinden so genau wie möglich zu beschreiben. Welche Eindrücke kommen euch in den Sinn? Vielleicht fühlt es sich unsicher an, lockerer, ungewohnt. Möglicherweise sogar „falsch“. Vielleicht hat das Ineinanderfalten der Hände bei diesem zweiten Mal mehr Aufmerksamkeit erfordert, mehr Konzentration, während das Falten beim ersten Mal beinahe routiniert passierte?! Fühlt noch einmal nach, ehe ihr eure Hände wieder auseinanderfaltet und nebeneinander in euren Schoß legt.

Was hat es jetzt mit diesem „Experiment“ auf sich und was kann jenes mit Veränderung zu tun haben? Nun, das erste Ineinanderfalten eurer Hände entspricht euren Gewohnheiten. All dem, was ihr routiniert tut, das wenig Nachdenken erfordert und selten hinterfragt wird. Das zweite Ineinanderfalten steht für das Neue, die Veränderung, ein Umdenken. Für eine Abkehr vom Bekannten.

Und schaut, um vom einen zum anderen zu kommen, habt ihr eure Hände einen Moment lang vollkommen voneinander lösen müssen. Da gab es für einen kurzen Augenblick keinen Halt, das Alte war nicht mehr, das Neue noch nicht greifbar. Haltlos. Auch schwer, auszuhalten? Oder überraschenderweise erleichternd, einmal nicht festhalten zu müssen?

Es gibt kein richtiges oder falsches Empfinden, jede eurer Wahrnehmungen hat ihren Raum und Sinn und ihre Wichtigkeit. Und wir sprechen gerade vom bloßen Falten eurer Hände. Wenn allein das schon so sehr viel mit euch macht, ist es dann nicht absolut nachvollziehbar, wie schwer Veränderung fällt, wenn es um komplexere Handlungen geht? Um Dinge, die mit Emotion verbunden sind? Es braucht ein Loslassen, Aushalten, Einlassen. Und vor alledem das Eingehen eines Wagnisses. Und Mut. Nicht als ein Merkmal von Abwesenheit jeglicher Ängste, sondern als ein Zeichen der Bewältigung eben jener sowie der Entscheidung, dass etwas anderes wichtiger ist als die Angst. Mut ist Angst plus einen Schritt. Mut heißt Machen.

©(Text) Lily Louise/Zauber-WORTE-Zauber, https://zauberwortezauber.wordpress.com/